Im "Zeit der Glaubenssuche" betitelten Heft II 1 des höchst
informativen und reich illustrierten Leitfadens "Limburg - Geschichte
des Bistums" heißt es zu diesem Holzschnitt:
"Die Graphik zeigt das Innere der [nicht mehr
existierenden] Barfüßerkirche (Franziskanerkirche)
nach Osten hin. Während des protestantischen Gottesdienstes hält ein
Geistlicher von der Kanzel aus die Predigt. Im ebenerdigen
Laiengestühl und im Mittelgang haben die Frauen Platz genommen, in
den doppelgeschossigen Emporen die Männer.2 Nur das
einschiffige Langhaus wurde für den protestantischen Gottesdienst
verwendet, der
Chor dagegen für den katholischen. 1529 hatten die meisten Barfüßer
[5 von 6 3] ihre 1271 gegründete Frankfurter
Niederlassung aufgegeben und samt der Kirche dem Rat der Stadt
zur Verfügung gestellt.4 Die
Kirche wurde zur protestantischen Pfarrkirche. Das Kloster
beherbergte in der
Folgezeit die protestantische Schule und das spätere Städtische
Gymnasium. Heute steht an der Stelle der alten Bafüßerkirche die
[1833 eingeweihte] Paulskirche."
1 |
Marie-Luise Crone, Matthias Theodor Kloft, Gabriele Hefele (Hg.),
Straßburg 1995 (Éditions du Signe); das folgende Zitat auf
S. 34
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2 |
Das kann man ruhig mit etwas mehr Pepp
sehen.
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3 |
Walter Kinkel, Das katholische Frankfurt einst, in: Greef (siehe
unten Lektüreanregungen), S. [11]-[74], Fundstelle S. 43,
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4 |
Genauer: Die "Aufgabe" und "Zurverfügungstellung" war mit dem
Guardian an der Spitze eigentlich ein demonstrativer Auszug für
die Ziele der "neugläubigen" Richtung; es war also eine Abwendung
von den weit verbreiteten und zunehmend weit verbreitet
kritisierten "altgläubigen/altkirchlichen" mißlichen Zuständen.
Man kann es noch schärfer fassen: Das war nichts anderes als ein
reformatorisches Bekenntnis, dessen Vorhandensein bei den dem
"gemeinen" Volk nahen Franziskanern, den Barfüßern,
nicht verwundert. Aus der Sicht ihrer
"Bettelorden-Ordo" - Hilfe für
Unterprivilegierte, Zukurzgekommene, Ausgestoßene, Arme,
Kranke - kann man ein solches Verhalten nicht
anders als konsequent bezeichnen.
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Der eine oder andere Gedanke zum Frankfurt damals:
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Traudts Holzschnitt und der hinzugefügte Text
laden ein, sich in das Jahrhundert hineinzusinnen, in
dem die Barfüßer auszogen, ins 16. also.
Da geschah im zweiten Jahrzehnt etwas eigentlich recht Harmloses.
Es wurden ein paar Nägel, vielleicht flink, hastig, heimlich,
unbeholfen und schief, in eine Eichentür geklopft. Die Eichentür
war aber nicht irgendeine Haustür, es war eine Kirchentür, eine
Portaltür, und zwar die einer Schloß- und Stiftskirche. Die Nägel
sollten auf etwas aufmerksam machen; eine Aufforderung zum
Disput war angenagelt worden. Dazu kam es auch. Aber es entstand
ferner das,
was man heute "Eigendynamik" nennt. Muntermacher und Abwehrgeräte
wurden alsbald: Heugabeln, Stangenwaffen, Büchsen, Arkebusen,
Musketen, Kanonen oder ähnliche Gerätschaften und
"segensreiche" Erfindungen. Die neueste war die Muskete,
sie wurde, weil "effektiver" als die Arkebuse, sogleich ein
sehr beliebtes Nachdruckmittel.
Auch hatte man, so formuliert es der Große Brockhaus von 1930,
vom Beginn des 16. Jahrhunderts an System in das Geschützwesen
gebracht. Wer nun in die Geschichtsbücher
guckt, sieht sich sehr schnell einer verworrenen und verwirrenden
Situation gegenüber. Handfeste
Religionsstreitigkeiten, blutige Glaubensschlachten, sie sind nicht
zu überlesen (wobei die Mitteilungsfreudigkeit gängiger
Abhandlungen in diesen Punkten nicht gerade riesig zu sein scheint).
Eigentlich ging es aber um "einfache" Wünsche, nämlich um die des
Augustiner-Mönchs Luther, den schändlichen Ablaßhandel und
andere religiöse
Mißstände zu beseitigen. Was hob an? Ein schier unentwirrbares
Gemenge und Beigemenge aus Religion, Machtpolitik, Besitzgier,
Sozialrevolution, aus Rationalem und
Irrationalem, aus - wundersamerweise je nach Perspektive wechselnd -
richtig und falsch. In diesen Strudel wurde natürlich auch
die zentral positionierte Reichsstadt Frankfurt gezogen, deren
zwischen Reform und Kaiser hin und her lavierender
Rat (pardon: Rath) zeitweise nicht mehr Herr seiner Sinne
war. So kam es zum Beispiel auf Druck der überwiegend
"neugläubig" orientierten oder schon "neugläubig" gewordenen
Bürgerschaft 1533 zum Verbot des katholischen
Gottesdienstes. Wem fällt da nicht zumindest das
Stichwort Anarchie ein. Erst das Augsburger Interim von 1548
und vor allem der Augsburger Religionsfrieden von 1555
mit seinem verordneten Nebeneinander von Lutheranern und
Katholiken führten
in der Lokalpolitik wieder zu einer einigermaßen erkennbaren
Richtschnur. Allerdings war im Augsburger Frieden der Grundsatz
"cuis regio eius religio" (wes' Gebiet, des' Glaube) ausgehandelt
worden, der mit dem lutherischen
Traum "von der Freiheit eines Christenmenschen" nur bedingt
zusammenpassen wollte. Die kaisertreue Stadt, fast überwiegend
protestantisch, stand somit weiterhin vor konfliktreichen Themen.
1561, 1594
und 1596 hagelte es denn auch wieder Verbote. Die Betroffenen waren
diesmal sogar die (meist zugezogenen, "oigeplaggte") Reformierten.
Es wird aber Fortschritte geben; der garnierende Zusatz
"freie" vor Reichsstadt ging nie ganz aus den Köpfen, doch bis
ein Begriff wie "multikonfessionelle Stadt"
mit einiger Berechtigung fällt, wird der Main noch sehr
viel Wasser zum Rhein befördern.
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Einen ausgezeichnet gerafften, leicht lesbaren Überblick über die
einschneidenden Ereignisse der Zeit der Reformation in
Franfurt, Hessen und Nassau bieten die folgenden Kapitel des
oben genannten Heftes: Lutherische Reformation in Nassau,
Königstein, Kronberg und Westerburg (S. 24-29), Die Reformation
der Reichsstadt Frankfurt (S. 30-34), Die Reformation in
Nassau-Dillenburg (S. 35-40), Säkularisation und Überleben der
Klöster (S. 41-44), Die katholischen Bemühungen
(S. 45-47).
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Auf Seite 29 des Hefts gibt's was zum Schmunzeln:
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"Das Hin und Her der Konfessionszugehörigkeit, auch das Nebeneinander
in den Jahren vor und nach dem Interim [s.o.] veranschaulicht die
Pfarrei Rod an der Weil in der Herrschaft Nassau-Weilburg. Der
dortige [evangelische] Pfarrer betreute sowohl katholische wie
evangelische Pfarrkinder, indem er in Rod an der Weil den
evangelischen und in Hasselbach den katholischen Gottesdienst hielt."
Das tat er solange, bis sein oberster Religionsherr, der Landgraf von
Hessen, dahinterkam. Cuis regio eius religio!
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Lektüreanregungen:
Becher, Werner / Roman Fischer (Hg.): Die Alte Nikolaikirche
am Römerberg
Studien zur Stadt- und Kirchengeschichte
Studien zur Frankfurter Geschichte, Band 32
Frankfurt/M. 1992 (Kramer), 458 S., zahlreiche
Abbildungen
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Frankfurter Historische Kommission (Hg., Vorsitzender: Lothar Gall):
Frankfurt am Main
Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen
Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen
Kommission, XVII
Sigmaringen 1991, 2. Auflage 1994 (Thorbecke),
630 [631] S., zahlreiche Abbildungen
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Greef, Klaus (Hg.): Das katholische Frankfurt - Einst und jetzt
Frankfurt/Main 1989 (Knecht), 220 [224] S.,
Abbildungen
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St. Paulsgemeinde (Hg.): Auf den Spuren Luthers - Ein meditativer
Rundgang durch die Innenstadt Frankfurts zum 450. Todestag Martin
Luthers (Faltblatt "Luther-Jahr '96")
Frankfurt [1996], 6. S.
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(DP, Abbildung Online 16.11.2001, Text Online: 2.1.2002,
Stand: 17.6.2012)
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