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Barfüßerkirche 1653,
   inwendig / Klicken: Alt-Frankfurter Kantaten
Foto: Sammlung Horst Christoph Diehl

"die Barfüßer Kirche inwendig."
steht in Holz geschnitten unter dem
Holzschnitt von Wilhelm Traudt, 1653
(Historisches Museum Frankfurt/M.)

Covertext-Illustration zur Langspielplatte Alt-Frankfurter Kantaten


Im "Zeit der Glaubenssuche" betitelten Heft II 1 des höchst informativen und reich illustrierten Leitfadens "Limburg - Geschichte des Bistums" heißt es zu diesem Holzschnitt:

"Die Graphik zeigt das Innere der [nicht mehr existierenden] Barfüßerkirche (Franziskanerkirche) nach Osten hin. Während des protestantischen Gottesdienstes hält ein Geistlicher von der Kanzel aus die Predigt. Im ebenerdigen Laiengestühl und im Mittelgang haben die Frauen Platz genommen, in den doppelgeschossigen Emporen die Männer.2  Nur das einschiffige Langhaus wurde für den protestantischen Gottesdienst verwendet, der Chor dagegen für den katholischen. 1529 hatten die meisten Barfüßer [5 von 6 3] ihre 1271 gegründete Frankfurter Niederlassung aufgegeben und samt der Kirche dem Rat der Stadt zur Verfügung gestellt.4  Die Kirche wurde zur protestantischen Pfarrkirche. Das Kloster beherbergte in der Folgezeit die protestantische Schule und das spätere Städtische Gymnasium. Heute steht an der Stelle der alten Bafüßerkirche die [1833 eingeweihte] Paulskirche."


1
Marie-Luise Crone, Matthias Theodor Kloft, Gabriele Hefele (Hg.), Straßburg 1995 (Éditions du Signe); das folgende Zitat auf  S. 34
2
Das kann man ruhig mit etwas mehr Pepp sehen.
3
Walter Kinkel, Das katholische Frankfurt einst, in: Greef (siehe unten Lektüreanregungen), S. [11]-[74], Fundstelle S. 43,
4
Genauer: Die "Aufgabe" und "Zurverfügungstellung" war mit dem Guardian an der Spitze eigentlich ein demonstrativer Auszug für die Ziele der "neugläubigen" Richtung; es war also eine Abwendung von den weit verbreiteten und zunehmend weit verbreitet kritisierten "altgläubigen/altkirchlichen" mißlichen Zuständen. Man kann es noch schärfer fassen: Das war nichts anderes als ein reformatorisches Bekenntnis, dessen Vorhandensein bei den dem "gemeinen" Volk nahen Franziskanern, den Barfüßern, nicht verwundert. Aus der Sicht ihrer "Bettelorden-Ordo" - Hilfe für Unterprivilegierte, Zukurzgekommene, Ausgestoßene, Arme, Kranke - kann man ein solches Verhalten nicht anders als konsequent bezeichnen.
  Der eine oder andere Gedanke zum Frankfurt damals:
  Traudts Holzschnitt und der hinzugefügte Text laden ein, sich in das Jahrhundert hineinzusinnen, in dem die Barfüßer auszogen, ins 16. also. Da geschah im zweiten Jahrzehnt etwas eigentlich recht Harmloses. Es wurden ein paar Nägel, vielleicht flink, hastig, heimlich, unbeholfen und schief, in eine Eichentür geklopft. Die Eichentür war aber nicht irgendeine Haustür, es war eine Kirchentür, eine Portaltür, und zwar die einer Schloß- und Stiftskirche. Die Nägel sollten auf etwas aufmerksam machen; eine Aufforderung zum Disput war angenagelt worden. Dazu kam es auch. Aber es entstand ferner das, was man heute "Eigendynamik" nennt. Muntermacher und Abwehrgeräte wurden alsbald: Heugabeln, Stangenwaffen, Büchsen, Arkebusen, Musketen, Kanonen oder ähnliche Gerätschaften und "segensreiche" Erfindungen. Die neueste war die Muskete, sie wurde, weil "effektiver" als die Arkebuse, sogleich ein sehr beliebtes Nachdruckmittel. Auch hatte man, so formuliert es der Große Brockhaus von 1930, vom Beginn des 16. Jahrhunderts an System in das Geschützwesen gebracht. Wer nun in die Geschichtsbücher guckt, sieht sich sehr schnell einer verworrenen und verwirrenden Situation gegenüber. Handfeste Religionsstreitigkeiten, blutige Glaubensschlachten, sie sind nicht zu überlesen (wobei die Mitteilungsfreudigkeit gängiger Abhandlungen in diesen Punkten nicht gerade riesig zu sein scheint). Eigentlich ging es aber um "einfache" Wünsche, nämlich um die des Augustiner-Mönchs Luther, den schändlichen Ablaßhandel und andere religiöse Mißstände zu beseitigen. Was hob an? Ein schier unentwirrbares Gemenge und Beigemenge aus Religion, Machtpolitik, Besitzgier, Sozialrevolution, aus Rationalem und Irrationalem, aus - wundersamerweise je nach Perspektive wechselnd - richtig und falsch. In diesen Strudel wurde natürlich auch die zentral positionierte Reichsstadt Frankfurt gezogen, deren zwischen Reform und Kaiser hin und her lavierender Rat (pardon: Rath) zeitweise nicht mehr Herr seiner Sinne war. So kam es zum Beispiel auf  Druck der überwiegend "neugläubig" orientierten oder schon "neugläubig" gewordenen Bürgerschaft 1533 zum Verbot des katholischen Gottesdienstes. Wem fällt da nicht zumindest das Stichwort Anarchie ein. Erst das Augsburger Interim von 1548 und vor allem der Augsburger Religionsfrieden von 1555 mit seinem verordneten Nebeneinander von Lutheranern und Katholiken führten in der Lokalpolitik wieder zu einer einigermaßen erkennbaren Richtschnur. Allerdings war im Augsburger Frieden der Grundsatz "cuis regio eius religio" (wes' Gebiet, des' Glaube) ausgehandelt worden, der mit dem lutherischen Traum "von der Freiheit eines Christenmenschen" nur bedingt zusammenpassen wollte. Die kaisertreue Stadt, fast überwiegend protestantisch, stand somit weiterhin vor konfliktreichen Themen. 1561, 1594 und 1596 hagelte es denn auch wieder Verbote. Die Betroffenen waren diesmal sogar die (meist zugezogenen, "oigeplaggte") Reformierten. Es wird aber Fortschritte geben; der garnierende Zusatz "freie" vor Reichsstadt ging nie ganz aus den Köpfen, doch bis ein Begriff wie "multikonfessionelle Stadt" mit einiger Berechtigung fällt, wird der Main noch sehr viel Wasser zum Rhein befördern.
  Einen ausgezeichnet gerafften, leicht lesbaren Überblick über die einschneidenden Ereignisse der Zeit der Reformation in Franfurt, Hessen und Nassau bieten die folgenden Kapitel des oben genannten Heftes: Lutherische Reformation in Nassau, Königstein, Kronberg und Westerburg (S. 24-29), Die Reformation der Reichsstadt Frankfurt (S. 30-34), Die Reformation in Nassau-Dillenburg (S. 35-40), Säkularisation und Überleben der Klöster (S. 41-44), Die katholischen Bemühungen (S. 45-47).
  Auf Seite 29 des Hefts gibt's was zum Schmunzeln:
  "Das Hin und Her der Konfessionszugehörigkeit, auch das Nebeneinander in den Jahren vor und nach dem Interim [s.o.] veranschaulicht die Pfarrei Rod an der Weil in der Herrschaft Nassau-Weilburg. Der dortige [evangelische] Pfarrer betreute sowohl katholische wie evangelische Pfarrkinder, indem er in Rod an der Weil den evangelischen und in Hasselbach den katholischen Gottesdienst hielt." Das tat er solange, bis sein oberster Religionsherr, der Landgraf von Hessen, dahinterkam. Cuis regio eius religio!

Lektüreanregungen:

Becher, Werner / Roman Fischer (Hg.): Die Alte Nikolaikirche am Römerberg
   Studien zur Stadt- und Kirchengeschichte
   Studien zur Frankfurter Geschichte, Band 32
   Frankfurt/M. 1992 (Kramer), 458 S., zahlreiche Abbildungen

Frankfurter Historische Kommission (Hg., Vorsitzender: Lothar Gall): Frankfurt am Main
   Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen
   Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission, XVII
   Sigmaringen 1991, 2. Auflage 1994 (Thorbecke), 630 [631] S., zahlreiche Abbildungen

Greef, Klaus (Hg.): Das katholische Frankfurt - Einst und jetzt
   Frankfurt/Main 1989 (Knecht), 220 [224] S., Abbildungen

St. Paulsgemeinde (Hg.): Auf den Spuren Luthers - Ein meditativer
   Rundgang durch die Innenstadt Frankfurts zum 450. Todestag Martin
   Luthers (Faltblatt "Luther-Jahr '96")
   Frankfurt [1996], 6. S.

(DP, Abbildung Online 16.11.2001, Text Online: 2.1.2002, Stand: 17.6.2012)


Jedem Diersche sei Pläsiersche

Frankfordder Weisheit


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