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Der Komponist
Georg Friedrich Händel, geboren in Halle/Saale,
wohl am 23.2.1685 (Taufe 24.2.), sollte als Sohn
eines Arztes und einer Pfarrerstochter nicht
Musikus werden, sondern Jurist, studierte auch Jura,
doch mehr Musik beim Organisten Friedrich
Wilhelm Zachow und war mit 17 bereits selbst
Organist in Halle.
1703 ging er nach Hamburg, als Geiger und
Cembalist an Reinhard Keisers Oper am Gänse-
markt, der frühsten bürgerlichen Oper (sonst gab es
Hofopern, oder keine, wie in Frankfurt am Main).
Ein toskanischer Fürst begeisterte ihn für Italien:
1703-10 lernte er die Musikzentren Florenz, Rom,
Neapel, Venedig kennen, die berühmten Meister
Scarlatti, Marcello, Arcangelo Corelli.
Dank der Erfolge in Venedig wurde er 1710
Hofkapellmeister in Hannover mit wenig Arbeit. So
reiste er wiederholt ohne Urlaub nach London und
war dort sehr erfolgreich (1711 Oper Rinaldo).
1714 wurde sein Kurfürst Georg von Hannover
englischer König George I. in London, zunächst oh-
ne Händel - bis dieser ihn bei einer Themse-Fahrt
mit prächtiger Musik überraschte (Wassermusik).
Er gründete 1719 die Royal Academy für
italienische Opern, die er erfolgreich aufführte, bis
1728 John Gay (aus Eitelkeit) in der adelkritischen
Bettleroper mit modischer Musik den italienischen
Stil fast vernichtend traf’. Händel wagte es noch-
mals, doch ihn interessierten Oratorien’:
Seit 1600 war man in Rom nach der Messe in
den Betsaal neben der Kirche, in’s Oratorium’ ge-
gangen, um moderne Musik’ zu hören. Oratorium-
Musik wurde Oper auf imaginärer Bühne’ (Reclam
Chormusik), ein geistliches Drama, oft Ersatz zu
(Kirchen-)Jahreszeiten, wenn Oper verboten’.
Händel schuf bis 1741 englische Oratorien so-
wie italienische Opern, dann nur noch Oratorien.
1729 hatte er seine kranke Mutter in Halle be-
sucht und dort Bachs Ältesten, Wilhelm Friede-
mann kennengelernt. Zu einer von Vater Bach er-
strebten Begegnung kam es indes nicht ...
Ähnlich wie der gleichaltrige Bach war Händel
im Alter blind. Er hatte mit 52 einen Schlaganfall
mit Lähmung und geistiger Beeinträchtigung, ge-
sundete aber 1738 nach einer Kur in Aachen und
arbeitete eifriger denn je. Händel erlebte Höhen und
Tiefen, gewann aber stets seine Energie zurück.
1741 schuf er in drei Wochen den Messias und
hatte Erfolg in Dublin/Irland. Doch in London blieb
es schwer, bis zum Judas Makkabäus 1746.
Händel starb am 14.4.1759. Am Tag zuvor sagte
er: Ich möchte am Karfreitag sterben, in der Hoff-
nung, mit meinem lieben Gott, meinem gnädigen
Herrn und Heiland am Tage seiner Auferstehung
mich zu vereinen. Händels Grabmal in der West-
minster-Abtei zeigt ihn mit Noten in der Hand, dem
Anfang der Messias-Arie: I know that my re-
deamer liveth. - Ich weiß, daß mein Erlöser lebet.
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Das Werk
Messias heißt auf deutsch der Gesalbte.
Es ist die griechische Schreibweise von aramäisch
meschicha und hebräisch hammaschiach. Ins Grie-
chische übersetzt heißt Gesalbter Christos,
lateinisch Christus, der geläufigste Beiname oder
Titel für Jesus von Nazareth. Jesus (grch. Form von
Jeusa = Josua) bedeutet: Gott rettet, erlöst;
Immanuel Gott mit uns. Er selbst bezeichnete sich
- da zunehmend als Sohn Gottes erkannt - gern
auch als Menschen-Sohn.
Ein Gesalbter war im alten Israel ein künftiger
König oder Hoher-/Priester, auf den man wartete
und rechnete. Das Neue Testament versteht Jesus
als Christus. Seine Jünger versuchten, seine frohe
Botschaft, sein Evangelium, in alle Welt zu
bringen.
Der Librettist Charles Jennens (1700-1773) war
Gutsherr von Gopsall/Leicestershire, Kunstkenner,
Mäzen, Shakespeare-Herausgeber und Dichter, u.a.
von Oratorien-Libretti, z.B. von Saul 1735 für den
befreundeten Händel.
Warum nannte Jennens seine Bibeltexte-Zusam-
menstellung nicht Christus (wie später Mendels-
sohn), sondern Messias?
Jennens ging es wohl nicht um einen christolo-
gischen Beitrag in dem uralten jüdisch-christlichen
Dialog, ob bzw. daß Jesus doch Mittler gegenüber
Gott und Erlöser von der Sünde der Welt sei. Ihm
ging es um ein Bekenntnis in einer zu seiner Zeit
heftigen Rechtgläubigkeits-Debatte über das Ver-
ständnis Gottes, der Deismus[De-Ismus]-Debatte.
Für etliche aufklärerische Theologen bzw. Philoso-
phen war der Gott des Alten Testaments der ehe-
malige Schöpfer, nicht jedoch Vater des Neuen
Bundes, nicht Vater Jesu, nicht Vater unser. Hier
wollte wohl der im umfassenden Sinne konservati-
ve anglikanische Christ Charles Jennens den Erweis
bringen, daß Jesus die messianischen Weissagun-
gen des Alten Testaments erfüllt habe, also der
erwartete Messias sei.
Vorgetragen werden kaum Berichte über Jesu
Leben (nur in wenigen Secco-Rezitativen), gar
keine Dialoge, sondern vorwiegend jene Prophe-
zeiungen, und zwar durch Einzelstimmen (in Arien
und Accompagnato-Rezitativen, die auch eher arios
sind) sowie durch den Chor.
Jennens hat die Texte nicht in der Bibel ge-
sucht, sondern in dem nach dem Kirchenjahr ge-
ordneten Book of Common Prayer gefunden und
ein wenig angepaßt, zur Vertonung wie bedeu-
tungsmäßig, z.B. hinsichtlich der Unterscheidung
der Personal-Fürwörter ich und wir.
So ist das sogenannte Oratorium der Messias
kein solches: die durch Händel vertonte Bibelwor-
te-Zusammenstellung ist kein Drama, nicht einmal
ein episches, in dem Handlung des längeren erzählt
würde, wir haben Teile statt Akte und
Abschnitte statt Szenen. Der Messias ist eine
indirekte Erzählung. Nur die Abfolge der
musikalischen Formen Rezitativ, Arie, Chor etc. ist
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